BELOVED REVIEWS | LESERSTIMMEN | DIE SCHERBEN SEINER SEELE BD. 2
26. Februar 2021
»Smashed to smithereens.
Was passiert mit einem Menschen, der sich aufgrund von Enttäuschungen, Verletzungen, erlebtem Schock und fehlender Eigenliebe immer mehr in sich selbst zurückzieht?
Wie verhält sich ein Mensch, wenn die ihm wohlwollend zugewandten Personen, seine Familie, seine Freunde den über Jahre aufgebauten, vermeintlich sicheren Schutzwall immer wieder versuchen zu überwinden, zu ihm vorzudringen?
Welche heilsame Kraft erfährt ein Mensch, der endlich bereit ist, Verantwortung für jemand anderen zu übernehmen und Halt und Stabilität zu versprechen und es somit zulassen kann, dass seine „smashed to smithereens“ zersplitterte Seele gekittet wird?
All das erfahren wir in Jayden V. Reeves Roman „Die Scherben seiner Seele“ Band 2 als Fortsetzung der Geschichte von Riley Buchanan aus Band 1 „Der steinerne Garten“.
Das dramatische Ende in Band 1, das für Riley schwer traumatisierend war, stürzt diesen in eine weitere tiefe Krise. Er flieht nach Irland zu seinen familiären Wurzeln und verliert sich immer mehr in Selbstzweifeln und permanenten Schuldzuweisungen an dem, was ihm und Nathanyel widerfahren ist. Er erlebt eine ständig steigende Wut auf sich selbst, verhält sich mehr und mehr aggressiv und brutal, hat Schwierigkeiten zu sich und seiner eigenen Homosexualität zu stehen, steckt voller Scham und erträgt seinen inneren Scherbenhaufen nur mit Alkohol und Tabletten. Er verschließt sich zunehmend vor seiner Umwelt und weist all diejenigen vehement zurück, die trotz allem zu ihm stehen und ihm helfen wollen. Der einzige Ausweg scheint zu sein, Rache an dem Menschen zu nehmen, der aus seiner Sicht für all das verantwortlich ist: Nathanyels Bruder Delwyn Pritchard. Mit Hoffnung auf Unterstützung nimmt Riley hierfür wieder Kontakt zu seiner kriminellen Vergangenheit auf, was jedoch alte Probleme und Feindschaften auf den Plan ruft, so dass er nicht nur sich, sondern auch seine Freunde in größte Lebensgefahr bringt.
Auch wenn in der Mitte des Romans eine zunächst positive Wendung angedeutet wird, fügen sich erst zum Ende hin einzelne Bruchstücke mehr und mehr zusammen und das Buch wird „heller“. Riley schafft es schließlich trotz allem zu akzeptieren, Hilfe anzunehmen und er sieht, welchen Weg er einschlagen muss, um die Scherben seiner Seele endlich aufzulesen. Vor allem aber erkennt er, welchem ganz besonderen Menschen er nahe sein möchte, um geheilt zu werden. Und um dadurch auch dessen Seele „zu heilen“.
Jayden V. Reeves hat mit „Die Scherben seiner Seele“ einen unglaublich dichten, sensiblen und spannungsgeladenen Roman geschaffen. Er erzählt keine einfache Geschichte, sondern schildert die Abgründe, Ängste und Sehnsüchte tief verletzter und traumatisierter Menschen, die die ganze Zeit um Hilfe rufen, ohne es selbst zu erkennen. Seine Sprache ist komplex, fundiert, schonungslos detailliert und dabei klar und immer aufrichtig. Die Erlebnisse und komplizierten Gefühlswelten der Protagonisten werden sehr authentisch geschildert und man kann sich dem als Leser kaum entziehen. All die Schmerzen, die Wut, die Verlorenheit, die Unfähigkeit zur Mitteilung, die Ausweglosigkeit und Brutalität der Situationen, in der sich die Helden befinden, spürt man nahezu am eigenen Leib, so dass das Lesen bisweilen schwer fällt und es stellenweise kaum auszuhalten ist. Aber neben Drama, blutigem Krimi und explicit content erschafft der Autor dennoch auch feine, erholsame Momente zarter Intimität und liebevoller Leidenschaft.
Hat Band 1 „Der steinerne Garten“ noch dafür gesorgt, dass man als Leser über Tage mit gebrochenem Herzen zurück blieb, so ist Band 2 „Die Scherben seiner Seele“ die dringend notwendige Traumatherapie, aus der man zwar geschunden aber versöhnt und nahezu geheilt hervorgeht.
Eine klare Leseempfehlung!«
© Mathieu auf Amazon am 26. Februar 2021