NEWS | 2023-12-06
Lass uns nicht von Sex reden. Das ist der Titel eines meiner liebsten Songs der Band ›Blumfeld‹ [YT-Link] und der mich schon damals in den frühen Neunzigern entsprechend inspiriert hat.
Warum? Weil ich die poetische und dennoch direkte Art des Songtextes sehr schätze. Ich lehne mich vermutlich zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass mir ähnliches im Sinn steht, wenn ich Sex-Szenen schreibe. Die besten Szenen dieser Art sind wohl, wenn einen die Worte der Handlung, die man beschreibt, nicht kalt lassen. Aber hier wird es für mich schwierig. Zugegeben, ich mag Dirty Talk zwischen meinen Protagonisten, dennoch ist es mir wichtig, den Balance-Akt zu schaffen, die Szene nicht billig und vulgär werden zu lassen. Das wünscht sich wahrscheinlich jede:r Autor:in, außer er/sie schreibt entsprechende Einhand-Lektüre.
Die passende Beschreibung des männlichen, wie auch weiblichen Geschlechts sollte meines Erachtens wohl überlegt sein. Benutzt man das falsche Wort, ist es der Abturner schlechthin. Aber was ist das falsche, was das richtige Wort?
Eine kürzliche Umfrage in einer Gruppe in den sozialen Medien hat ergeben, das es da sehr unterschiedliche Ansichten gibt. Ein Großteil ist sich einig, dass Beschreibungen wie ›Schlange‹, ›Manneskobra‹, ›Prügel‹ oder auch ›Brunzrüssel‹ eher zu unkontrollierten Lach-Attacken, als zu sinnlicher Erotik führen. Es fällt schwer, das ernst zunehmen. Ich für mich, schreibe vornehmlich in der wörtlichen Rede das, was ich auch für mich im privaten Alltag nutze: ›Schwanz‹. Schlicht und einfach.
Doch ständige Wortwiederholungen sind never nice. Was gibt es also noch? ›Härte‹, ›Leibesmitte‹ auch das nüchterne Wort ›Penis‹ kommt bei mir als Erzähler vor (all diese Begriffe nicht in der wörtlichen Rede) – wenn auch selten. Hier scheiden sich jedoch ebenso die Geschmäcker. Und für die von einer Vielzahl Gays begehrte Kehrseite, gibt es ebenso nüchterne, wie auch vulgäre oder abenteuerliche Beschreibungen.
Man könnte allerdings auch grundsätzlich die Frage stellen: »Sind Sex-Szenen notwendig?«
Dazu von mir ein klares: Sie sind es, wenn sie die Handlung & und die Entwicklung der Protagonisten vorantreiben. Sie sind es auch, wenn sie einen tieferen Einblick in die Psyche der Protagonisten geben, Informationen, die wichtig sind, um das übrige Handeln desjenigen zu erklären.
Sie sind es nicht, wenn es nur ums trockene Ficken geht. Das kann man überblättern, wenn man auf sowas nicht steht. Man verpasst keinen wichtigen Handlungsaspekt.
Ehrlich? Ich habe großen Respekt davor, Sex-Szenen zu schreiben. Es gibt meines Erachtens auch nur wenige Autor:innen, die das beispiellos beherrschen. Die Gefahr lautet: Wiederholung.
Es gibt natürlich sehr viele Spielarten, aber als Autor habe ich den Anspruch, meine Leser:innen voyeuristisch auf anspruchsvolle Weise teilhaben zu lassen. Doch wie ist es so schön? Es gibt nur acht Töne auf der Tonleiter; andererseits so viele musikalische Möglichkeiten. Man muss sie nur finden und nicht bereits Vorhandenes kopieren. Ähnlich ist es beim Schreiben. Die Handlung der Penetration ist immer gleich, wichsen und rimming ebenso. Worte gibt es grundsätzlich viele, beschränkt man sich jedoch auf den Sex, sind es weitaus weniger. Man sollte auf den Punkt kommen, aber dennoch nichts auslassen, denn sonst wird es unlogisch und hölzern. Ein verdammt schwieriger Balance-Akt. Es gibt in der Tat – so wurde mir geflüstert – Leser:innen, die stellen die beschriebenen Szenen nach und amüsieren oder beschweren sich darüber, wenn die Handlung nicht möglich ist, da sonst heftige Wirbelsäulenschäden zu erwarten sind. Ein berechtigter Einwand. Ich stelle sie auch nach – oder schildere Selbsterlebtes; sonst läuft man leicht Gefahr, sich literarisch zu verrenken.
Unterm Strich schwingt da also immer die Angst mit, zu langweilen, nicht die passende Länge der Szene zu finden, nicht ansprechend – oder überhaupt – beschreiben zu können, was die Protagonisten da eigentlich tun und sich in ständigen Wortwiederholungen zu verlieren. Die Kunst besteht für mich darin, leidenschaftliche, nicht vulgäre Szenen zu schreiben, durchaus dennoch auch sehr direkt zu sein, aber die Quintessenz nicht aus den Augen zu verlieren. Geht es mir darum, die Leser:innen zu erregen oder um eine tiefere Botschaft? Failed. Ich wähle Letzteres. Definitiv.
Zum Schluss: Sagte ich bereits, dass ich mich die Worte: ›Ihre Blicke hakten sich ineinander‹, ›verhakten sich ihre Blicke‹ und auch ›… trank von seinen Lippen‹ mittlerweile zum Schreien bringen? Wenn man diese und sehr ähnliche Beschreibungen in jedem seiner Romane und in nahezu jeder Sex-Szene nutzt, ist man mit dem Vorhaben, den Szenen individuelles Leben einzuhauchen meiner Meinung nach, glorreich gescheitert. Genau diesen Anspruch habe ich aber. Ein Grund weswegen es mir ebenfalls ein Anliegen war DstG zu überarbeiten. Aber es ist mein Debüt. Ich bin entschuldigt *lol. Noch.
Ich hoffe, inzwischen kann ich es besser. Aber der Respekt und die Ehrfurcht vor solchen Szenen bleibt.
Photo: © freepik
- Lest Ihr solche Szenen, oder überblättert Ihr sie eher? Vielleicht lest Ihr sie auch nur an, um zu schauen, ob etwas Ihr etwas Plot-relevantes verpasst/erfahrt?
- Welche Begriffe sind für Geschlechtsteile für Euch ok und wo ihr sie sogar so schlimm findet, dass ein Buch failed und Ihr nicht mehr weiterlesen könnt?