NEWS | 2024-11-22
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Euer Jay xxx
- Leseprobe
Riley hatte keine Ahnung, wie tief die Verletzungen wirklich waren, aber er verspürte jetzt auch keinerlei Lust, weiter darüber nachzudenken. Fest stand: Hier war etwas gehörig aus der Spur gelaufen. Angespannt stierte er auf Nathanyels linke Hand hinunter, welche die Klinge ruhig zwischen Daumen und Zeigefinger hielt und dabei sachte gegen den Unterarm drückte. Die ehemals so gepflegten Nägel waren eingerissen und von geronnenem Blut verschmutzt und dass Nathanyels Körper in dieser Szenerie vollkommener Blöße ausgesetzt war, vervollständigte das Bild auf skurrile Art und Weise.
»Gib sie mir«, bat Riley und streckte auffordernd die Hand aus. Nichts geschah. Als weiteres Blut unter der scharfen Kante hervorquoll, verlor er die Geduld. Wut packte ihn, so ohnmächtig fühlte er sich in dieser, schon seit Tagen andauernden und nervenzehrenden Situation. »Verdammt, gib sie her!« Grob griff er nach Nathanyels Handgelenk und versuchte, ihm die Klinge zu entwenden, doch unvermittelt schoss dieser in die Höhe und seine Faust traf Riley am Kinn. Seine Zähne knallten aufeinander. Der Schlag war hart, raubte ihm den Atem und ließ ihn taumeln, bis er schließlich das Gleichgewicht verlor und in einem Anflug grenzenloser Überraschung zu Boden ging.
Was …
Er schnappte nach Luft. Ein vertrauter metallischer Geschmack vermischte sich mit dem Pfefferminz auf seiner Zunge, sein Unterkiefer schmerzte und nahe seinem rechten Ohr begann es unangenehm zu pochen, aber viel schlimmer war, dass er gar nicht verstand, was da gerade passierte. Dünn rann Blut vermischt mit seinem Speichel in einem langen Faden von seiner aufgesprungenen Lippe. Er hatte sich gebissen. Mühsam richtete er seinen Oberkörper auf und rieb sich das Kinn, als Nathanyel ihm plötzlich brutal gegen die Schulter trat. Riley fiel um wie ein nasser Sack und sein Hinterkopf schlug auf die Dielen. Schmerzerfüllt stöhnte er auf, doch da hockte Nathanyel bereits über ihm und legte ihm seine klammen Hände um den Hals. Riley merkte, wie sie von seinem Blut klebten, als sie anfingen, unnachgiebig seine Atemwege zuzudrücken.
Hellgraue Augen schwebten im Halbdunkel wie zwei kleine Ballons vor seinem Gesicht und entsetzt registrierte Riley den kalten Hass, welcher sich in ihnen widerspiegelte. »Nate!«, krächzte er heiser und umklammerte dessen Handgelenke, derweil er sich panisch unter ihm aufbäumte.
HAST DU SCHON MAL EINEN MENSCHEN GETÖTET? WIE HAT ES SICH ANGEFÜHLT?
Verdammt!
Allzu rasch spürte er den kalten Schleier der nahenden Ohnmacht hinter seiner Stirn; verzweifelt setzte er immer wieder die nackten Füße auf den rauen Dielenboden und Holzsplitter bohrten sich in seine Haut, als er versuchte sich hochzustemmen, doch Nathanyels Gewicht lastete zu schwer auf seinem Oberkörper. Wiederholt rutschten seine Beine unter ihm weg und versagten ihm ihre Dienste. Riley begann zu röcheln und wenig später verdrehte er die Augen.
Wehre dich!
Hektisch tastete er mit einer Hand umher und bekam schließlich das Kabel der Nachttischleuchte zu fassen. Mit einem Ruck zog er daran, die Lampe fiel auf den Boden und so schnell es ihm in seiner Lage möglich war, wickelte er die Schnur um sein Handgelenk, bis seine Finger den Lampenstil berührten. Er ergriff ihn, holte aus und schmetterte Nathanyel den Metallfuß mit aller Kraft, die er noch aufbringen konnte, gegen den Schädel. Benommen kippte dieser zur Seite.
Riley schubste ihn von sich herunter, wirbelte herum und kam stolpernd auf die Beine. Der Wandschrank neben dem Fenster stoppte ihn jäh. Holz zerbarst, als er seine Faust mehrmals hintereinander in die weiße Lackierung rammte. »Scheiße!«, fluchte er außer sich und keuchte angestrengt nach Luft.
Er wollte mich umbringen!
Er ist nicht er selbst, Buchanan.
Aber er wollte mich erwürgen!
Nein, wollte er nicht.
»Gott!« Erregt presste er die Wange an die Schranktür. Er zitterte am ganzen Leib. Immer noch meinte er Nathanyels Hände gleich einem Schraubstock um seinen Hals spüren zu können. Die Luft schmerzte in seiner Kehle.
Funktioniere, Buchanan.
Riley kniff die Augen zusammen.
Funktioniere.
»Okay«, flüsterte er und schluckte trocken.
Okay, ich werde funktionieren.
Widerwillig wandte er den Kopf.
Nathanyel hockte zusammengekauert auf dem Boden und regte sich nicht. Nichts wies darauf hin, dass er immer noch diesen unbändigen Zorn in sich trug, mit welchem er ihn soeben noch attackiert hatte.
Minuten vergingen, bis Riley es vorsichtig wagte, sich ihm zu nähern. Tatsächlich traute er Nathanyel in diesem Moment keinen Millimeter mehr über den Weg, obwohl er dessen unkontrollierte Ausbrüche noch von früher allzu gut in Erinnerung hatte.
Nur der Wunsch, mich umzubringen, der ist neu. Verflucht!
Aus sicherer Entfernung betrachtete er ihn schweigend. Mit all dem Blut sah Nathanyel aus, als hätte er nackt in einem Schlachthaus gewütet und Riley fragte sich mit einem Mal verunsichert, ob er ihn mit dem Hieb auf den Kopf vielleicht ernsthaft verletzt haben könnte. Der Gedanke löste eine kleine Sintflut von ambivalenten Gefühlen aus.
Und wenn, dann habe ich wohl nicht mehr sehr viel kaputt gemacht.
© Jayden V. Reeves
Die Scherben seiner Seele Bd. 2
Content-Notes: verbale, körperliche, stumpfe und sexuelle Gewalt (u.a. gegen Minderjährige); detaillierte Gewaltbeschreibungen; Homo- & Bisexualität, Traumatisierung; Benzodiazepin-Missbrauch; Depression; Suizidversuch; Verwahrlosung; selbstverletzendes Verhalten; Panik-Attacken; Queer-Feindlichkeit; Homophobie; Polizei; detaillierte Sex-Szenen; sexuelle Handlungen unter Adoptiv-Geschwistern; Schusswaffen; organisiertes Verbrechen; Entführung; Mord; Tod; Hochbegabung; Diskriminierung; Prostitution; Autismus.