NEWS | 2024-10-11
Diesmal habe ich etwas länger gebraucht, eine geeignete Stelle zu finden, welche der neuen Aufgabe in dem Autorenspiel BOOKOPOLY, welches von Irvin L. Kendall veranstaltet wird, gerecht wird.
»Für dich wurde eine 6 gewürfelt. Das bringt dich in die Heldenstraße.
Deine neue Aufgabe lautet:
Poste eine Stelle aus einem deiner Bücher, an der einer deiner Protagonisten etwas Heldenhaftes leistet. Im wahrsten Sinne des Wortes oder im übertragenen Sinn, z. B. wenn eine schüchterne Person das erste Mal den Mund aufmacht.«
Während mein Hauptprotagonist Riley Buchanan im ersten Band meiner Debüt-Dilogie rebellisch impulsiv und vor allem in manchen Belangen naiv agiert, durchlebt er in Band 2 ›Die Scherben seiner Seele‹, vor allem aufgrund seiner Traumatisierung und seiner tiefgreifenden Depression eine 180 Grad Wendung und wächst zu einer Größe heran, die wohl viele Leser*innen ihm in Band 1 niemals zugetraut hätten. In diesen stillen Momenten ist er der tragische Held, rettet die Menschen, die ihm am Herzen liegen psychisch und physisch und letztendlich auch sich selbst. Er zeigt in Band 2 eine Stärke, die sich von Buchseite zu Seite mehr intensiviert – eine Stärke, wie sie den meisten Menschen, die mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen haben, selbst nicht bewusst ist. Er würde sich dies niemals eingestehen. Und doch, ist es so.
Ich habe daher sehr viele Stellen, in denen er heldenhaft agiert, doch will ich nicht spoilern. Denn selbst wenn die Bücher schon lange auf dem Markt sind, gibt es ja vielleicht ein paar unter Euch, die die Geschichte noch nicht gelesen haben (das weiß ich sogar ^^)
In Band 1 hadert Riley mit seinen homosexuellen Neigungen, die er als Jugendlicher zu verstecken und letztendlich zu ignorieren gelernt hat. Zu Beginn des zweiten Bandes ist er als Bisexueller zwar auch homosexuell aktiv, allerdings im Verborgenen. Mit den Werten einer alteingesessenen irischen katholischen Familie erzogen, wehrt er sich dagegen, als ohnehin schon abtrünniges, ehemals schwer drogensüchtiges und in seiner Jugend kriminell gewordenes Familienmitglied damit, nun auch diese vermeintliche ›Abnormität‹ gegenüber seinen Verwandten offenzulegen.
Basierend auf dem erschütternden Erlebnis zum Ende des ersten Bandes ist Riley in der kommenden Szene psychisch am Ende. Er sucht Heilung in wahllosen Sexualpartnern. Will vergessen, sich betäuben – um nichts mehr fühlen zu müssen. Er ist nach Irland zu seinen Großeltern geflohen. Dies ist das letzte Gespräch, welches er mit seinem Großvater führt.
Thx fürs Lesen und gerne (!!) dürft Ihr mir was in die Comments schreiben. ^^
Jede Woche gibt’s einen weiteren Post auf meiner Autorenseite auf Facebook unter dem Hashtag #bookopoly. Dort könnt Ihr auch die Beiträge der anderen Autor:innen entdecken. ^^
Euer Jay xxx
- Leseprobe
Deine Freundin?«
Fragend sah Riley auf.
Ethan deutete flüchtig auf den Namen, der in geschwungenen Lettern die Innenseite von Rileys Handgelenk zierte:
M A E S I E
»Nein«, erwiderte Riley.
Nicht mehr.
Bestand die Möglichkeit, dass der weibliche Name Irritation stiftete? Oder gar Erleichterung?
Nun sprich es schon aus. Sag es.
ICH WEIß, WAS DU BIST
Irgendwie wurde Riley das Gefühl nicht los, dass Ethan den Blickkontakt mit ihm mied, nachdem er gefragt hatte, wo er die Nacht über gewesen war. Aber vielleicht bildete er sich dies in seiner derzeitigen instabilen Verfassung auch nur ein. Er biss die Zähne aufeinander. Hätte er ein Glas in den Händen gehalten, wäre es spätestens jetzt unter seiner Kraft zersprungen. Er war es plötzlich leid. Das Versteckspiel, die Heuchelei. Warum verbarg er sein wahres Selbst noch weiterhin? Er tat nichts Verwerfliches. Nur in den Augen der anderen war es verabscheuenswürdig, ekelerregend, nicht normal.
Du bist feige, weil du Schiss hast, Buchanan. Wie ein Kind, das von einer verbotenen Frucht gekostet hat und ihrem verlockenden Reiz nicht mehr widerstehen kann.
Ja, es stimmte. Er hatte Angst. Dabei war es nicht die Furcht, es auszusprechen, sondern die Scheu vor der garantiert folgenden Zurückweisung, die seinen Hass auf seine eigene Unzulänglichkeit füttern würde. Gleich einer verderblichen Flüssigkeit, die ein ohnehin schon stark verschmutztes Tuch tränkt. In ihren Augen würde er erneut versagt haben.
Nur gibt es nichts mehr zu verlieren, wenn nichts mehr da ist, das einer Rettung wert wäre.
Eigentlich war er sich dessen sicher. Warum also keinen endgültigen Schlussstrich hinter sich ziehen? Seine Feigheit kotzte ihn an.
Ich werde siegen. Über euer aller Engstirnigkeit.
Und noch ehe er länger darüber nachdenken konnte, was er tat, richtete er entschlossen seinen Oberkörper auf und sprach es aus. »Ich war mit ihm im Bett.« Er musste Samuels Namen nicht nennen, es war offensichtlich, von wem die Rede war. Gebannt beobachtete er die Mimik seines Großvaters.
Ein kaum merkliches Aufeinanderpressen der Lippen, eine sachte Bewegung des Kehlkopfes, sonst regte sich Ethan nicht.
Verdammt.
»Wir hatten Sex«, fuhr Riley fort. »Rory Namara hat uns gesehen.«
Immer noch keine Reaktion. Riley zog verwirrt die Augenbrauen zusammen.
Schlag mir ins Gesicht. Komm schon. Tu etwas!
»Ich habe mit ihm geschlafen, Gran.«
Ethan stand so ruckartig auf, dass sein Stuhl bedrohlich ins Wanken geriet. Abwehrend hatte er die Hände hochgerissen. »Riley«, bat er heiser und wandte sich von ihm ab.
Riley ließ sich zurück gegen die Wand fallen.
Volltreffer.
Nur trug er zu seiner außerordentlichen Überraschung statt dem fragwürdigen Sieg das niederschmetternde Gefühl einer massiven Verletzung davon.
Wie ein Schuss, der dir dein Fleisch zerfetzt. Nicht vorhersehbar. Dir den Atem nimmt. Und Blut. So viel Blut.
Er hatte es gewusst. Und doch gehofft. Trotz aller Rebellion. Gewiss, Ethan war nicht sein Vater. Es sollte ihm egal sein, was seine Großeltern von ihm dachten, immerhin hatte er Ewigkeiten keinen Kontakt zu ihnen gehabt. Und dennoch … es spielte eine Rolle. Ein verbittertes Lachen löste sich von seiner Kehle, gleich darauf wurde er von seinen angestauten Emotionen schlichtweg überwältigt. Geradezu wehrlos sank er in sich zusammen, während seine Schultern ungehemmt zu beben anfingen und die Umgebung um ihn herum verschwamm.
Was machte er hier eigentlich? War er nun gänzlich verrückt geworden? Er war im Begriff fortzugehen, was hatte ihn also dazu bewogen, mit einem Mal dieses Thema auf den Tisch zu legen? Ausgerechnet jetzt? Was hatte er damit erreichen wollen?
Du bist ja ein toller Kämpfer, Buchanan.
Tollkühn und vor Dummheit nur so strotzend, war er in diese Schlacht hineingerannt, bloß um sich beim ersten Schlag direkt dem Boden gleichmachen zu lassen.
Hör auf zu heulen!
Für einen Moment schloss er beschämt die Augen. Quälender Widerwillen baute sich in ihm auf, als er merkte, wie die Tränen über den Lidrand schwappten, flink ihren Weg fanden, um kurz an der Nasenspitze zu verharren, bis sie auf seine Hände hinab tropften, welche immer noch den Teebecher hielten. Etwas Feuchtes berührte ihn, stieß ihn an. Beinahe blind verfolgte er, wie Ginger ihren Kopf tröstend auf seinen Schoß legte. Er schob den Becher auf die Tischplatte und fuhr dankbar in ihr zartgelocktes Fell hinein.
Gut verborgen in seinem Innern wusste er, nach welchem Gefühl er sich verzehrte. Aber er konnte es nicht in Worte fassen, weil er merkte, dass es ihm inzwischen fast fremd geworden war.
»Ich werde den Baum fällen müssen«, sagte Ethan gedehnt. Den Blick auf die große Esche gerichtet, die unmittelbar in die Hofeinfahrt ragte, stand er vor dem Fenster und hatte die Hände auf dem Rücken gefaltet. »Das Wetter … es wird zunehmend rauer«, murmelte er geistesabwesend. »Der Stamm ist alt. Marode. Die Baumkrone würde uns das Dach zerstören, wenn er bricht.«
Riley zwang sich ruhiger zu atmen. Zitternd sog er die Luft ein und presste Daumen und Zeigefinger in die Tränenkanäle seiner Augen. Die Scham, die er fühlte, fraß ihn beinahe auf. Heulen würde alles nur noch schlimmer machen und Ethan zeigen, wie schwach und verweichlicht er in Wirklichkeit war. So etwas tat ein erwachsener Mann nicht. Mit achtundzwanzig Jahren flennte er wie ein kleines Kind.
Dabei war ihm genau dies schon früher verwehrt gewesen. Je älter er wurde, desto spöttischer hatte besonders sein Halbbruder Brian reagiert, wenn er Verletzlichkeit in jedweder Form gezeigt hatte, und irgendwann hatte er diese Peinlichkeit zu kontrollieren gewusst. Aber weinen zu müssen und es nicht zu können, war weitaus grauenvoller, als es einfach zu tun. Er wollte aufstehen und gehen, doch seine Beine und selbst sein Geist schienen wie gelähmt.
Langsam schleppten die Minuten sich dahin und in der Küche wurde es sehr ruhig.
»Sie mochte den Baum«, durchbrach Ethan endlich die Stille. »Sie ist in den Sommermonaten immer in seinen Ästen herumgeklettert.« Er lachte leise. »So wie du und Ray, als ihr Kinder ward.«
Aufmerksam, aber mit unbeweglicher Miene, hörte Riley zu. Er erlebte es das erste Mal, dass Ethan seit seiner Ankunft auf Gravenyard über seine Mutter Hannah sprach. Schnell hatte er bemerkt, dass sie und die mysteriös anmutenden Umstände ihres Todes immer noch einem Tabu unterlagen, was er zwar irritiert zur Kenntnis genommen, aber schweigend akzeptiert hatte. Das Thema war daher nach wie vor empfindlich. Bereits bei der Organisation der Beerdigung hatte es vonseiten der Kirche Probleme gegeben. Schwierigkeiten von einer Art, die, soweit ihm bekannt war, zur Beschämung innerhalb der Familie geführt hatten – war doch infrage gestellt worden, warum Hannah Buchanan so plötzlich nach Erkenntnis ihrer tödlich verlaufenden Krankheit verstorben war. Immerhin hatte sie zuvor kaum Anzeichen einer gesundheitlichen Einschränkung gezeigt und zudem gemeinhin als besonnener und lebensfroher Mensch gegolten. Riley selbst hatte den unausgesprochenen Suizid seiner Mutter im Geiste in seinen Händen gehalten und ihn ruhig von allen Seiten betrachtet. Ein selbstbestimmtes Leben zu führen, war ihr immer wichtig gewesen und da er um ihre Erkrankung und dem daraus resultierenden Dahinsiechen gewusst hatte, konnte er ihren mutmaßlichen Freitod gut akzeptieren. Allerdings war er zum Zeitpunkt ihres Entschlusses viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, sein eigenes Leben in den Griff zu bekommen. Die Möglichkeit, sich zu verabschieden, hatte er schlichtweg verpasst.
»Es ist wider die Natur, wenn Eltern ihr Kind beerdigen müssen.« Der monotone Klang von Ethans Stimme verriet, dass sein Blick sich längst nach innen gekehrt hatte.
Angespannt rieb Riley Gingers Fellspitzen zwischen seinen Fingern und wartete. Gleich würde er sich wohl wieder einmal anhören müssen, dass er seiner Mutter zeitlebens Ärger und Sorgen bereitet hatte. Ähnlich wie sein Vater seine Enttäuschung darüber oft bei Rileys seltenen Besuchen hatte durchblicken lassen, unfähig sie direkt anzusprechen. Sein Atem flachte ab. Resignation ersetzte die Spannung und müde fixierte er einen Punkt vor sich, ohne ihn tatsächlich wahrzunehmen. Wenn er sich nun ein weiteres Mal mit den altbekannten Schuldgefühlen herumschlagen musste, dann würde er sie wortlos einsammeln und in die Schublade zu den anderen legen.
Wegsperren.
Und die Klagen im Kopf auf die übliche Art und Weise verstummen lassen.
Ethan drehte sich um. Schwer ruhte nun sein Blick auf ihm und Riley spürte, wie er ihn betrachtete. Ihn. Seinen missratenen Enkelsohn, der es schaffte, immer wieder eine weitere Ungeheuerlichkeit auf den Tisch zu legen.
Kriminell, drogensüchtig. Und jetzt auch noch schwul.
»Riley …«
Du hast Vergewaltiger vergessen.
Riley öffnete die Lippen leicht. Sein Mund war plötzlich wie ausgetrocknet. Seine Zunge klebte an seinem Gaumen, träge und nicht zu gebrauchen.
Stimmt. Ich habe ihn mit meinem Gürtel gefesselt.
Er dachte an die Hämatome an Nathanyels Handgelenken. Dunkle, ringförmige Druckstellen. Demütige Reue packte ihn.
Einen Tag bevor er getötet wurde.
»Riley, ich liebe dich so, wie du bist.«
Ich habe ihn gefesselt und gefickt … und er wollte es nicht.
»Du bist mein Enkel und wirst es auch immer bleiben.«
Immer bleiben.
Deutlich verwirrt sah Riley auf. »Was?« Mühsam rang er darum, sich zurechtzufinden.
Ethan lächelte. Die Traurigkeit spiegelte sich in dem verwaschenen Blau seiner Augen wider. »Auch ich musste erst lernen. Und meine Lektion war der Tod deiner Mutter. Es war … eine sehr bittere Lektion.«
Riley blinzelte. Ansonsten blieb sein Körper bar jeder Reaktion. Er schien wie betäubt. Ungläubig darüber, welche Worte er gerade vernommen hatte, lauschte er weiter.
Sein Großvater trat ein paar Schritte näher. »Du bist ihr Kind.« Er hob die Hand und stoppte jedoch in der Bewegung, als Riley kaum merklich zurückwich. Sie sahen einander an. Still. Der eine bittend, der andere fast bis zum Rand von Misstrauen verseucht.
Langsam, beinahe zögernd, berührte Ethan Rileys Kopf und strich ihm über das Haar. Vorsichtig, liebevoll. Fragend. »Du bist hier immer willkommen, mein Junge. Ich möchte, dass du das weißt.«
Ein letzter langer Blick, der so viel mehr aussagte als jegliche Worte. Dann wandte sich Ethan ab und wenig später fiel die Haustür hinter ihm zu.
© Jayden V. Reeves
Die Scherben seiner Seele Bd. 2
Content-Notes: verbale, körperliche, stumpfe und sexuelle Gewalt (u.a. gegen Minderjährige); detaillierte Gewaltbeschreibungen; Homo- & Bisexualität, Traumatisierung; Benzodiazepin-Missbrauch; Depression; Suizidversuch; Verwahrlosung; selbstverletzendes Verhalten; Panik-Attacken; Queer-Feindlichkeit; Homophobie; Polizei; detaillierte Sex-Szenen; sexuelle Handlungen unter Adoptiv-Geschwistern; Schusswaffen; organisiertes Verbrechen; Entführung; Mord; Tod; Hochbegabung; Diskriminierung; Prostitution; Autismus.